Porzellan aus Reichmannsdorf

Kindheit und Porzellan in Reichmannsdorf

 

Liebe Leser,

 

heute habe ich ganz unerwartet ein Geburtstagsgeschenk der besonderen Art erhalten - ein Bericht aus der Porzellanfabrik Reichmannsdorf, den ich Ihnen nicht länger vorenthalten möchte: 

 

"...Doch ich möchte Dir wenigstens noch Dein Geburtstagsgeschenk zukommen lassen.

So, das sind meine Erinnerungen:
Ich war als Kind oft in der Fabrik bei Oma und Tante.
Aus heutiger Sicht finde ich es Wahnsinn, wie altertümlich in Reichmannsdorf bis zum Schluss produziert wurde. Es gab bis auf die Massenmühle, das Rührwerk für Glasur und Schlicker, den umlaufenden Aufzug für die Planken, auf denen die Figuren standen und die Hubwagen, eigentlich keine Maschinen. Es wurde alles in Handarbeit gemacht.
Es gab die "Former" (keine Ahnung, ob man die so bezeichnet hat), die die Gipsformen für den Guss der Figuren hergestellt haben. Die Gießer, wie meine Oma oder Tante, haben die Figuren gegossen, und die Einzelteile zusammengesetzt. Ein Hirsch bestand aus dem Körper, den Beinen, dem Geweih und dem Sockel. Das alles musste kurz nach dem Gießen in weichem Zustand zusammengesetzt werden. Dann wurde nach einem Tag Trockenzeit der Grad, der beim Gießen entsteht, von den Figuren entfernt. 
Manchmal durfte ich mithelfen und Figuren "putzen", d.h. den Grad der durch das Gießen entsteht von den Figuren entfernen. Man musste ganz schön feinfühlig sein, um keine Figur kaputt zu machen.
Die Spitzenfiguren wurden in mehreren Arbeitsschritten hergestellt. Zuerst die Rohfigur, wie alle anderen auch. Dann wurde die Spitze in Porzellanmasse getaucht und in mehreren Lagen faltig auf die Figuren aufgelegt. Dabei kam es darauf an, die Falten gleichmäßig zu legen. Beim Brennen verbrennt dann der Stoff und es bleibt das Porzellan in der Form der Spritze übrig. Echte Kunstwerke - da habe ich früher stundenlang zugesehen.
In der mittleren Etage war die Malerei und die Glasur. Es gab dort auch Porzellanmaler. Nur hatten die schon in den 60ziger Jahren das System des "Airbrusch" genutzt. Die Gesichter wurden herkömmlich bemalt. Doch die Farbe auf den Flächen wurde gesprüht. Ich habe damals als Kind oft daneben gestanden und mit großem Interesse zugesehen. Es gehört eine große Geschicklichkeit dazu, dass alle Figuren gleich aussehen.
Auf den über 2 Meter langen Planken wurden die Figuren dann zum Fahrstuhl getragen. Für Frauen eine viel zu schwere Arbeit. Das alles war in der oberen Etage.
Hier war auch die Glühe. Ich weiß nicht mehr genau, wozu diese genutzt wurde. Es ist jedenfalls der Teil oberhalb des Brennofens. Beim Brennen wurden hier die bemalten, oder glasierten Figuren bei etwa 700 °C "vorgeglüht".
 
Im Erdgeschoß ist der Brennofen, wo alles bei etwa 1100° gebrannt wurde. Ich bin auch mit dem Hubwagen um den Ofen gefahren.
Die Figuren wurden in Schamottekapseln gestellt. Die Kapseln wurden dann per Hand im Ringofen aufgestapelt. Dann wurde die Ofentür zugemauert. Am Donnerstag Morgen wurde der Ofen angeheizt und in der Nacht zum Freitag war der "Brand", das scharfe Schüren. Das heißt, es wurde so lange geheizt, bis die richtige Temperatur im Ofen erreicht war. Das konnte über ein Sichtloch mittels "Schmelzkegeln", die im Ofen aufgestellt waren, kontrolliert werden. Es gab drei Kegel. Wenn der 3. Kegel zu schmelzen begann, wurde das Feuer zurückgefahren, und der Ofen konnte über das Wochenende abkühlen. Eine riesen Plackerei. Hier haben Opa und Onkel C. gearbeitet. Sie mussten alle Kohlen bzw. den Koks mit der Schubkarre von draußen rein fahren und über die acht Einfülllöcher des Ofens in die Feuerkammer füllen. Das waren pro Brennvorgang mehrere Tonnen.
Am Montag, oder Dienstag (weiß ich nicht mehr genau), wurde die Ofentür wieder

aufgebrochen. Im Ofen waren noch etwa 70 bis 90° und es war unheimlich warm im Brennraum. Dann wurden die Kapsel herausgetragen und die Figuren heraus genommen. Einige Teile mussten noch einmal in die Malerei. Um Aufglasurmalereien (ich glaube die Goldsachen) zu machen. Der Rest ging direkt in die Packerei neben dem Brennraum.

 

Hinter dem Brennraum war die Massenmühle. Diese wurde noch bis zum Schluss mit einem Transmissionsriemen angetrieben. Früher gab es hier wohl eine Dampfmaschine. Ich kenne aber nur den großen E- Motor. 
 
Insgesamt war es eine ziemlich schwere Arbeit, eigentlich bis zum Schluss fast genau wie vor hundert Jahren. Aus heutiger Sicht unfassbar.
Wie besprochen hier einige Bilder aus dem Porzellanmuseum in Reichmannsdorf. Solche und noch andere Figuren wurden in Reichmannsdorf hergestellt. Es waren Hunde, Katzen, Tauben und andere Vögel, Hirsche, Pferde und natürlich Engel in allen Formen, die Spitzenfiguren und Tänzerinnen nicht zu vergessen. Die Kutschen wurden glaube ich in Gräfenthal hergestellt und Reichmannsdorf gehörte ja zuletzt zu Gräfenthal, vorher aber auch zu Lichte."
So oder so ähnlich, liebe Leser, waren wir von Kindes Beinen an mit der Porzellanherstellung in unseren Heimatorten verbunden. Das Porzellan können Sie auf der vorhergehenden Page anschauen. Vielleicht schauen Sie auch einmal im Porzellanmuseum in Reichmannsdorf vorbei, es ist wirklich sehenswert.
Ihre Porzellanreporterin,
de Kogen's Sylvia