Wilhelm Ulbrich aus Lichte

10.09.1846 - 16.10.1922

Porzellanmodelleur und Heimatdichter

 

 

 

Wilhelm Ulbrich war Modelleur in der Porzellanfabrik Gebrüder Heubach in Lichte. Nicht weniger als 62 Jahre lang stellte er sein Können in den Dienst dieser Firma.

Und wie es heißt, teilte er über vier Generationen hinweg Freude und Leid mit ihren Familien, die ihm einen Vertrauensposten einräumten und  ihm zu seinem

50-jährigen Arbeitsjubiläum wohlverdiente Ehrungen

zuteil werden ließen.

 

Erste Informationen über Wilhelm Ulbrich konnte ich dem Aufsatz von Albert Brödel "Von der Köhlerhütte zum Industriestandort" - Ein Beitrag zur Geschichte des Ortes Lichte und der Siedlungen im oberen Lichtetal - entnehmen, bevor sich eines zum anderen gefügt hat.

 

In welcher Weise er dem Orte Lichte noch verbunden war,  berichtet der "Schwarzburgbote", namentlich Louis Pfeifer, wie folgt: 

 

Wilhelm Ulbrich, ein Volksmann des Waldes, von Louis Pfeiffer

„Aus Schwarzburgbote“, Jahrgang 1926 Nr. 31 vom 29.08.1926

 

"Die Bewohner des Waldes sind ein munteres Völkchen. Geweckt, fleißig und sangesfroh nehmen sie das Leben nicht von der allzuschweren Seite, und eine gute Dosis Humor hilft ihnen über manche Unebenheit und Widerwärtigkeit des Daseins hinweg. Ein nicht gewöhnlicher Bildungsdrang befähigt so manchen hellen Kopf, im Vereinswesen, das besonders gepflegt und ausgeprägt erscheint, eine führende Stellung einzunehmen und segensreichen Einfluß auf seine Umgebung zu nehmen.

 

Wilhelm Ulbrich in Lichte, der langjährige Berichterstatter der „Landeszeitung“, der Sänger droben auf dem Walde“, war ein solcher Mann, der mitten im Volksleben stand und seine Zeitgenossen um Haupteslänge körperlich und geistig überragte.

 

Geboren am 10. September 1846 in dem genannten Walddorfe, das im ehemaligen Fürstentume Schwarzburg-Rudolstadt den ersten Gesangverein (1835) und den ersten Turnverein (1848) aufwies, erwählte er den Beruf des Modelleurs in der Porzellanfabrik der Gebrüder Heubach.

 

Frühzeitig lernte er den Ernst des Lebens kennen, indem er schon im 14. Lebensjahr den geliebten Vater durch den Tod verlor und nunmehr auf eigenen Füße gestellt wurde.

 

Nicht weniger als 62 Jahre widmete er sein Können der alteingeführten Firma, teile durch vier Generationen Freude und Leid mit ihren Familien, die ihm einen Vertrauensposten einräumten und zu seinem 50-jährigen Arbeitsjubiläum wohlverdiente Ehrungen zuteil werden ließen.

 

Tag für Tag legte er den weiten Weg von seiner Wohnung an der Wallendorfer Grenze nach seiner Arbeitsstätte bei Wind und Wetter unverdrossen zurück. Für jeden ihm Begegnenden hatte er ein freundliches Wort, allen war er Ratgeber, Freund und Helfer. Stand er doch im Mittelpunkt der dörflichen Vereinsbestrebungen, die sämtliche Volkskreise umfaßten und in ihm den geborenen Führer sahen. Viele Jahre leitete „der Wilhelm“ den Turnverein Lichte als Vorsitzender in mustergültiger Weise, wurde Obmann des Südthüringer Turngaues und 1884 Kreisvertreter des XIII. Deutschen Turnkreises (Thüringen), welche ehrenvolle Stellung er einige Jahrzehnte bekleidete, so daß ihm bei seinem Ausscheiden die Ehrenmitgliedschaft des Thüringischen Kreisturnrates verliehen wurde.

 

Er war auch Kommandant der Feuerwehr Lichte und blieb bis in sein hohes Alter hinein Ortsbrandmeister.

 

Durch seine Kenntnisse des Arbeitslebens, seinen freien Blick, seine stete Hilfsbereitschaft und seinen poesieverklärten Humor gewann er die Zuneigung aller Gutgesinnten und war ein überall gern gesehener Gast. Als bewährter Vorsitzender des Spar- und Vorschußvereins Lichte stand er den Einwohnern seines Heimatortes besonders nahe und war genau über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unterrichtet. In einer Anzahl von Vereinen z.B. Gesangverein Lichte, Turnverein Ernstthal usw. war er Ehrenmitglied, auch mit den Rudolstädter Turnverein von 1861 war er eng verbunden. Oft und gern kam er nach Rudolstadt und nahm dann bei seinem Busenfreund Hofbildhauer Ernst Hercher Wohnung.

 

Wilhelm Ulbrich hat nur den Unterricht der Volksschule Lichte seines Wohnortes genossen. Aber durch fleißiges Studium unserer Klassiker erwarb er sich reiche Kenntnisse, und durch den Verkehr mit geistig hochstehenden Männern schärfte sich sein Blick für die sozialen Nöte der engeren Heimat. Aus eigener Kraft war er etwas geworden und aus der Scholle herausgewachsen.

 

Der Volksmann Ulbrich war ein Meister des Wortes. Groß ist die Zahl seiner Gelegenheitsgedichte, die er sozusagen kurzweg „aus dem Ärmel schüttelte“, damit er seinen Hörern an patriotischen Gedenktagen und Erinnerungsfeiern unverhoffte Freude bereitete. Im Jahre 1878 gab er das erste Bändchen Gedichte heraus, das Sagen und Märchen aus dem Thüringer Wald enthält. Unser Anton Sommer schrieb hierüber folgende Kritik: „Die Poesien W. Ulbrichs zeugen von einer nicht gewöhnlichen dichterischen Begabung des Verfassers, welchen weiches, empfängliches Gemüt, leicht erregbares Gefühl, lebhafte Phantasie und liebevolle sinnige Auffassung der Natur zum Poeten machen. Wohltuend berührt dabei die Liebe zu der schönen Thüringer Heimat und ein warmer Hauch herzlicher Religiosität, der darin weht. Mögen die Dichtungen die freundliche Aufnahme und Anerkennung beim Publikum finden, die sie verdienen.“

 

1902 folgte ein zweites Bändchen, das in der Hauptsache Volksmundartliches brachte und ebenfalls gut gefiel. Die Herausgabe eines drittel Teiles ist an der Ungunst der Zeitverhältnisse gescheitert. 

 

Dem Volksdichter und Vaterlandsfreund Ulbrich wurden zahlreiche Ehrungen zuteil, so die Goldene Verdienstmedaille vom Fürsten von Reuß jüngere Linie und die Ehrenmedaille in Gold vom Fürsten Günther zu Schwarzburg-Rudolstadt. Aber der schönste Lohn für ihn, der nicht nach äußeren Ehren trachtete, war doch die Anhänglichkeit seiner Wäldler, die sich laut bekundete, als er 1918 im Kreise seiner Familie, umgeben von Kindern, Enkeln und Urenkeln, das Fest der goldenen Hochzeit beging. Schon ein Jahr darauf rief Gott seine treue Lebensgefährtin heim, und 1922, am 16. Oktober, schloß der begeisterte Sänger des Thüringer Waldes die Augen für immer, der kerndeutsche Volksmann, in dessen Herz das Goethewort geschrieben stand: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“. Aufrichtig war der Schmerz seiner Verehrer, erhebend die allgemeine Teilnahme bei seinen Begräbnis. „Ach, sie haben einen guten Mann begraben, und uns war er  mehr.“  

In dem vorstehenden Artikel heißt es über Wilhelm Ulbrich: "Er starb in den Sielen..."

Hier handelt es sich um eine Redensart, die durch ein geflügeltes Wort Bismarcks bekannt wurde, der im Jahre 1881 in einer Rede seinen Rücktritt mit den Worten zurückwies:  "Ein braves Pferd stirbt in den Sielen". Das mit "Seil" verwandte Wort "Siele" bezeichnet das Riemenwerk zum Anschirren von Ochsen und Pferden.

 

 

Über seine konkrete Tätigkeit bei der Firma Gebrüder Heubach haben wir leider durch den Artikel nicht sehr viel erfahren. Aber der Umstand, dass er Modelleur war, lässt darauf schließen, dass er in der Zeit von 1860 bis 1922 einer der führenden und befähigsten Modelleure der Firma Gebrüder Heubach war. Dies aus dem o.g. Artikel entnehmen zu können ist um so wichtiger, da Unterlagen über die in dieser Porzellanfabrik tätigen Porzelliner nicht vorhanden sind. Auch sein Vater, Theodor Andreas Ernst Ulbrich (18.03.1825-10.07.1861) war Porzellanmodelleur in Lichte, dessen Vater, Georg Philipp Ulbrich, Fabrikant. Damit haben wir mit den Ulbrich-Modelleuren jene Familie ausfindig gemacht, die bereits in Lichte Porzellan modelliert hat, als die Firma Gebrüder Heubach gerade erst gegründet war und die möglicherweise auch bereits bei Heinrich Leder und seinen Nachfolgern, den Gebrüdern Liebmann, insbesondere bei Wilhelm Liebmann beschäftigt waren. Mit den u.g. Otto Hugo Scherf und Ferdinand Hagemüller sind uns auch zwei Porzellanmaler bekannt geworden, die vor 1884 ggf. auch für die Gebrüder Heubach tätig waren. 

 

Von dem Urenkel von Wilhelm Ulbrich habe ich jetzt einige Stammbaumdaten erhalten, die ich wie folgt kurz zusammenfassen möchte:

 

Wilhelm Ulbrich war die Ehe mit Henriette Agnes Adelheid Böhm eingegangen. Aus dieser Ehe gingen folgende Kinder hervor: 

 

Luise Ulbrich, die Albert Gräf heiratete, den Sohn Oskar Gräf gebar, der Klara Schünzel heiratete und Glasbläser von Beruf wurde, deren Sohn Albert Gräf  im Jahre 1928 die Ursula heiratete und mit ihr den Sohn Stefan Gräf bekam.

  

Ernst Ulbrich, der im Jahre 1896 die Ehe mit Rosa einging, aus der die Töchter Elli, Isa und Erna hervorgingen. Er ist mit seiner Familie nach Wallerfangen gezogen und in Rodach gestorben.

 

Otto Ulbrich, über den ich auf dessen Seite berichte.

 

Paul Ulbrich, Kaufmann, der bereits im Alter von 15 Jahren bei einem Unglücksfall in Ohrdruf verstarb.

 

Helma Ulbrich (23.01.1870-10.10.1938), die 1898 doch tatsächlich die Ehefrau unseres berühmten Kunstmalers Louis Scherf aus Lichte (30.05.1870-20.03.1955) wurde. Über Louis Scherf habe ich jetzt eine separate Seite gestaltet. Dort werden Sie Vieles über ihn und seine Familie erfahren.

  

In einer Fundstelle, die ich noch genauer untersuchen werde, wird sie als "Porzellinerin" bezeichnet. Da stellt sich mir die Frage, ob sie vielleicht sogar für die Signatur (H. Ulbrich) mit ihrem Mädchennamen auf den Vasen von Heubach, die sie nachfolgend sehen werden, steht, das wäre eine Sensation.

 

Gebrüder Heubach, Handmalerei, Stiefmütterchen, Signatur: H. Ulbrich,

Kugelbauchvase, Modell Nr. 4876 aus dem Jahre 1906

Deckelvase der Gebrüder Heubach mit der Form Nr. 9364 Größe 3, vom Maler(in) H. Ulbrich handgemaltes Blumenbukett in kobaltblau aus dem Jahre 1913/1914 (Foto unten rechts).

Über Helma konnte ich lediglich in Erfahrung bringen, dass ihr erstes Kind aus der Ehe mit Luis Scherf im Alter von nur fünf Monaten verstarb und sie keine weiteren Kinder zu Welt brachte. Daraus könnte man jedoch auch ableiten, dass Sie als Frau die Möglichkeit hatte, als Porzellinerin bei der Firma Gebrüder Heubach zu arbeiten; die finanzielle Notwendigkeit hat  in der Familie jedenfalls bestanden.

 

Der noch bekannte Robert Ulbrich, über den ein von Louis Scherf gemaltes Portrait existiert, ist daher wohl kein Sohn von Wilhelm Ulbrich, vielleicht ein Sohn seines Bruders, was wir erst noch recherchieren müssen.

 

Auf der folgenden Seite erfahren Sie nun auch etwas über seinen Sohn, den Porzellanplattenmaler, Kunstmaler und Portraitisten Otto Ulbrich in Hanau.