Erna Rosenberg - Nonnenmacher         12.12.1889 - 1975

Hermann Nonnenmacher 03.06.1892 - 1988

 

Aus aktuellem Anlass der Versteigerung einer Figur bei Bares für Rares möchte ich meinen Lesern heute etwas über die Figur der nackten Frau auf dem Einhorn berichten:

 

Frauenakt auf Einhorn (Hirsch) "Märchen" - Figur der Fraureuth Kunstabteilung Wallendorf

 

Die Figur mit weiblichem Akt auf einem Einhorn wurde in der E.W. "Eigene Werkstatt" der Kunstabteilung Wallendorf der Fraureuth AG von einem der auswärtigen Künstler, die sich in Wallendorf im Herrenhaus um das Jahre 1919 eingefunden hatten, entworfen und von den  begabten und erfahrenen Porzellinern meines Heimatortes Wallendorf modelliert, gebrannt und bemalt.

 

Frau Fraas, die Expertin für das Fraureuther Porzellan, hat diese Figur dem Modelleur Hermann Nonnenmacher zugeordnet, dem Mann von Erna Rosenberg - Nonnenmacher. Dies soll sich aus den Dekorbüchern ergeben haben.  Vielleicht haben sie ja beide gemeinsam daran gearbeitet; sie im Alter von dreißig Jahren, er siebenundzwanzigjährig.

 

Mehr über die "Eigene Werkstatt" können Sie auf meiner gleichnamigen Seite lesen. 

  

Im Katalog der Kunstabteilung Wallendorf ist die Figur auf Seite 15 links oben zu sehen; hier in der Dekorausführung aus dem Jahre 1919: 19/745. Dies bedeutet natürlich, dass sie mindestens im Jahre 1919 und nicht erst 1920 vom Künstler zum Leben erweckt wurde.

 

Die Figur trägt laut Frau Fraas die Modellnunmer 1287.

 

Es gibt die Frau auf dem Einhorn auch in der Ausführung mit der Dekornummer 20/312  aus 1920 und  21/742 aus dem Jahre 1921.

 

Die Figur hat eine Größe von 21,7 cm; der Sockel eine Größe von 12,5 x 5,8 cm.

Frau Frass beschreibt die Figur wie folgt:

 

"Auf einem bis zum Boden reichenden, mit Phantasieornamenten geschmückten Tuch hat im Damensitz eine weibliche Figur Platz genommen, die Augen träumerisch in die Ferne gerichtet. Der Hirsch wendet den Kopf mit aufmerksamem Blick nach hinten. Es kommt kein Augenkontakt der beiden Darsteller zustande. Der entspannte Gesichtsausdruck der Reitenden steht in starkem Gegensatz zu ihrer komplizierten Haltung. Den Körper in starkem Hohlkreuz gedehnt und leicht nach vorn gedreht, zieht sie ihr linkes Knie in Richtung Oberkörper und lässt Fuß und überlängten Unterschenkel unter den weit nach vorne gestreckten rechten Bein die Linie des Oberkörpers wieder aufgreifen. Um trotzdem Halt zu finden, sucht die Verzückte rechts und links andeutungsweise mit beiden Händen Halt am Rücken des Tieres.

 

Das schimmernde Weiß des Porzellans eignet sich trefflich für die seit dem 5. Jahrhundert in der bildenden Kunst bevorzugte weiße Ausführung des Fabeltieres, meist in Gestalt eines Pferdes. Das geradlinig und spitz zulaufende Horn versinnbildlicht jungfräuliche Reinheit und gilt auch als Symbol des Sonnenstrahls. Der Sage zufolge war es nur einer reinen Jungfrau möglich, das Einhorn, welches im Christentum auch als Symbol der Stärke und Reinheit galt, zu zähmen."

 

Vielleicht hat Hermann Nonnenmacher in dem weiblichen Akt auf dem Einhorn auch seine Frau Erna Rosenberg gesehen und dargestellt, ihre jungfräuliche Reinheit, Zartheit und anfängliche Sprödigkeit und den Sonnenstrahl in seinem Leben, der sie war und er sich als das Einhorn (Hirsch) in seiner Stärke und Reinheit, das (den) es zu zähmen galt.

 

Und hier noch ein Link für weitere Informationen über diese Figur.

 https://www.gnm.de/fileadmin/redakteure/Kulturgut/2016/Kulturgut_II_2016_H49.pdf

 

Erna Rosenberg - Nonnenmacher und Hermann Nonnenmacher

 

Erna Rosenberg-Nonnenmacher und auch ihr Mann Hermann Nonnenmacher sind beide in der Berliner Künstlerszene gut bekannt.

 

In Coburg geboren hatte Hermann Nonnenmacher an der Dresdener Akademie der Bildenden Künste Bildhauerei studiert. Nach dem Studium ging er nach Berlin.

 

Erna Rosenberg hatte die Kunstgewerbeschule in Berlin besucht und war im Anschluss nach Bunzlau an die dortige Keramikfachschule gegangen.

  

Was jedoch die Wenigsten wissen ist, dass sie als junge angehende Künstler zu den Mitgliedern der "E.W. - Eigene Werkstatt" der Kunstabteilung Wallendorf der Fraureuth AG gehörten.

 

Sie haben demnach unmittelbar nach ihrer Trauung im Jahre 1918/1919 in der Zeit zwischen 1918 und 1926 in Wallendorf gewohnt und gearbeitet. Sie gelten als Urheber der verschiedensten figürlichen Plastiken der Kunstabteilung. Welche ihnen zugeordnet werden, erfahren wir bei Fraas:

 

Erna Rosenberg-Nonnenmacher: Herzvase - Modell 1137, Biedermeierdame - Modell 1181, Groteske Tänzerin - Dekor 20/331, Rokokodame mit Kakadu - Modell 1208, "Tanzende"  - Dekor 19/773, "Carnevalgruppe"  - Modell 1246, Mädchen mit Gänsen, Schlangenbeschwörerin.

 

Hermann Nonnenmacher: "Märchen" - Modell 1287, Reigen - Modell 1306, Reigen als Lampenfuss - Modell 1438.

 

1930 wohnte das Künstlerpaar bekanntermaßen in Berlin in einem Haus in der Potsdamer Straße 29, in dem auch der Künstler Lionel Feininger in den Jahren nach 1910 sein Atelier hatte.

 

Nach ihrer Tätigkeit bei Fraureuth entwarf Erna Rosenberg-Nonnenmacher viele Kleinbronzen, so zum Beispiel ein Mädchen mit dem Froschkönig. Beide Künstler haben sich in der Gestaltung von Kleinplastiken gegenseitig beeinflusst. Von Hermann Nonnenmacher ist eine Kleinbronze aus dem Anfang der 1930er-Jahre erhalten, die den Titel Mädchen auf einem Reh trägt und der Porzellanfigur von Erna Rosenberg gleicht.

 

1938 musste das Künstlerpaar unter dem politischen Druck der inzwischen an der Macht befindlichen Nationalsozialisten nach London emigrieren.

 

Claudia Over: Porzellanfabrik Fraureuth. In: Trödler & Sammeln, März 2000, S Detlev Lorenz: Künstlerspuren in Berlin vom Barock bis heute. Berlin 2002, 

Ergebnisse der Durchsicht des Modellbuchs von Fraureuth:

Erna Rosenberg war mit ihrer Herzvase mit der Modellnummer 1137 übrigens die erste  im Modellbuch verzeichnete auswärtige Künstlerin, die für Fraureuth tätig war. Daher sehe ich den Beginn der Kunstabteilung Fraureuth mit der Modellnummer 1137 von Erna Rosenberg eingeläutet. Die Herzvase gibt es in sehr vielen Dekoren, sie ist im Internethandel häufig anzutreffen. 

 

Nachfolgend können Sie die Herzvase mit einem Blumendekor dekoriert bewundern. Da ich sie gerade erst erworben habe, möchte ich noch anmerken, dass ich eine ganz andere Vorstellung von dieser Vase hatte. Sie sieht so leicht und zerbrechlich aus, ist aber in natura schwer, massiv und stabil und liegt ungeachtet dessen einfühlsam in den Händen - ein beeindruckendes Stück Kunstporzellan...

 

Die Herzvase wurde gemäß dem Vermerk auf dem Boden im Jahre 1917 bemalt und ist mit dem Stempel der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen gemarkt. Sie könnte noch in Fraureuth, aber auch bereits in Wallendorf dekoriert worden sein.

 

 

Nach einigen Vasen und Dosen anderer auswärtiger Künstler war es gemäß dem Modellbuch wiederum Erna Rosenberg, die die erste menschliche Figur für Fraureuth entworfen hat; es ist ihre berühmte Biedermeierdame mit der Modellnummer 1181.